Vogelschutz und Windenergie – dieses Thema ist nach wie vor sehr umstritten. Dabei reicht die Bandbreite von völliger Ablehnung (Windräder = Vogelschredderer) bis zu weitgehender Verharmlosung (saubere Energie, Zugvögel ziehen um die Windräder herum und Brutvögel gewöhnen sich daran). Wichtig ist jedoch ein differenziertes Bild der Problematik, denn zu unterschiedlich sind die Verhaltensweisen der einzelnen Arten. Selbst wenn Ergebnisse konkreter Untersuchungen vorliegen, sind die Ergebnisse nicht immer eindeutig oder sogar widersprüchlich. Hinsichtlich der Auswirkungen von Windparks auf Greifvögel besagen bspw. die meisten Untersuchungen, dass Windparks bei der Nahrungssuche keineswegs gemieden werden, woraus dann eine geringe Empfindlichkeit dieser Arten abgeleitet wird. Dennoch gibt es viele Totfunde von Greifvögeln, und der Rotmilan wird sogar häufiger als jede andere Vogelart als Todesopfer an WEA gefunden. Überwiegend sind es Altvögel während der Brutzeit, deren Tod mit großer Wahrscheinlichkeit zum Verlust der Brut führt. Ist hier also gerade „geringe Empfindlichkeit“, d.h. die Gewöhnung an die WEA problematisch?
Wirksamkeit von Lenkungsmaßnahmen für den Rotmilan
(F+E Vorhaben 3517860200)
Auftraggeber: Bundesamt für Naturschutz, Außenstelle Leipzig
Laufzeit: 2018-2021
Projektgebiete: Sachsen-Anhalt, Saarland
Bearbeitung in Kooperation mit FÖA Trier
In weiten Teilen des Verbreitungsgebietes des Rotmilans besteht ein erhöhtes Konfliktpotenzial zwischen den Belangen des Artenschutzes und dem Ausbau der Windenergie. Bei der Planung und Genehmigung von Windenergieprojekten ist für einige windkraftsensible, kollisionsempfindliche Großvogelarten insbesondere das Eintreten des signifikant erhöhten Tötungsrisikos (§ 44 (1) BNatSchG) zu verhindern. Dazu wurden bisher diverse Maßnahmenvorschläge in die Genehmigungspraxis eingebracht.
Zentrales Ziel des Forschungsvorhabens ist es, Unsicherheiten bezüglich der Maßnahmenwirksamkeit zu minimieren und artenschutzfachliche sowie -rechtlich relevante Kenntnislücken bei der Operationalisierung von Vermeidungsmaßnahmen im Rahmen von Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen zu schließen. Dazu erfolgen Felduntersuchungen in zwei Projektgebieten in Sachsen-Anhalt (großstrukturierte mitteldeutsche Agrarlandschaft) und einem Gebiet im Saarland (kleinstrukturierte Mittelgebirgslandschaft mit hohem Grünlandanteil). Unter anderem wird die Raumnutzung von Rotmilanen auch mit Hilfe der Satellitentelemetrie verfolgt.
Greifvögel und Windkraftanlagen – Problemanalyse und Lösungs-vorschläge“
(FKZ: 0327684 / 0327684A / 0327684B)
Auftraggeber: Bundesumweltministerium (über Projektträger Jülich)
Laufzeit: 2007-2011
Projektgebiet: Sachsen-Anhalt
Bearbeitung des Teilprojektes Rotmilan, in Kooperation mit dem Michael-Otto-Institut im NABU
2007-2011 hat ÖKOTOP innerhalb eines vom Bundesumweltministerium finanzierten Verbundprojekts unter der Federführung des Michael-Otto-Instituts im NABU in Bergenhusen das Teilprojekt "Rotmilan und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge" bearbeitet. Weitere Projektpartner waren die Firma BioConsult SH aus Husum, das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz (ABU) in Bad Sassendorf, der Förderverein Greifvogelmonitoring sowie die Staatliche Vogelschutzwarte in Brandenburg. Die Untersuchungen zum Rotmilan erfolgten in Sachsen-Anhalt in weitläufigen Agrarlandschaften im nördlichen und nordöstlichen Harzvorland, im Halleschen Ackerland, der Querfurter Platte sowie im Köthener Ackerland. Die Projektgebiete umfassten jeweils einen Windparks zzgl. eines Landschaftsausschnitts im Radius von 3 km um die jeweils äußeren WEA.
Die ersten Projektergebnisse wurden bei der CWW 2011 in Trondheim vorgestellt. Wesentliche Ergebnisse und Schlussfolgerungen wurden auch 2015 bei der CWW in Berlin präsentiert.
Projektinhalte:
- standardisierte Planbeobachtungen, großräumige Brutbestandserfassung, Totfundsuche, Erfassung Flächenbelegung und Flächennutzung
- Erfassung und Vergleich der Nutzungsintensität verschiedener Anbaukulturen durch Greifvögel
- Erfassung und Vergleich der Nutzung und Nutzungsintensität von Flächen in und außerhalb von Windparks durch Greifvögel
- Verhaltensbeobachtungen mittels Handheld Computer
- Quantitative Erfassung von Flughöhen und potenziell gefährlichen Situationen
- Telemetrie (VHF, GPS), Detaillierte Auswertung der Telemetriedaten im Hinblick auf WKA-Problematik
- Experimentelle Manipulation von Mastfußbrachen
- Ableitung von Lösungen / Maßnahmen zur Reduzierung des Kollisionsrisikos für Rotmilane an WKA
Populations-Dauererfassung
Seit 2003 untersuchen wir im westlichen Saalekreis auf 75 km² Agrarlandschaft Bestand, Reproduktion und Habitatnutzung einer lokalen Greifvogelpopulation. Im Untersuchungsgebiet befindet sich ein Windpark, der anfänglich 30 WEA aufwies, und bis heute auf fast 70 WEA angewachsen ist. Seit 2005 wurden zusätzlich in direkter Nachbarschaft zum Windpark brütende Rotmilane besendert, um so Aufschluss über ihr Raum-Zeit-Verhalten insbesondere zu den Windkraftanlagen zu bekommen. Derzeit arbeiten wir mit GPS-Sendern, die eine sehr gute raum-zeitliche Analyse der Ortungsdaten ermöglichen.
Die erste systematisch auf die Fragestellung Rotmilan und Windkraft fokussierte Untersuchung wurde 2005 in der Querfurter Platte in Sachsen-Anhalt durchgeführt (Strasser 2006, Mammen et al. 2009). Dabei handelt es sich um eine Diplomarbeit, welche aufgrund unserer Lokalkenntnisse in einem bestehenden Windpark in Sachsen-Anhalt von unserem Büro initiiert und fachlich betreut wurde. Gegenstand waren standardisierte Verhaltensbeobachtungen und ein Totfundmonitoring.
Einige Ergebnisse wurden auf einem Poster bei der "6. Tagung zur Populationsökologie von Greifvogel- und Eulenarten" in Meisdorf (2006) vorgestellt. Download als PDF
Zum Thema Windkraft und Greifvögel haben wir darüber hinaus zahlreiche Veröffentlichungen im In- und Ausland erstellt, darunter Mammen (2012), Bellebaum et al. (2013), Mammen et al. (2013).